Lesungen Dresden – Als Autorin braucht man Rückgrat …

… wenn man keinen Rollkoffer hat!
Der November hielt für mich eine aufregende Woche parat. Nach langer Zeit habe ich mal wieder Lesungen in Dresden gehabt. Meine letzte war 2021 und das tatsächlich auch in Dresden bei der lieben Kaddi Cutz. Es war eine Woche voller schwerem Gepäck, Lachen und Gesprächen bis tief in die Nacht.

Montag – Reisevorbereitung

Das Telefon klingelte mich aus dem Schlaf. Kaddi war dran. Aufgeregt fragte sie mich, ob ich morgen auftreten, statt nur zugucken möchte – eigentlich hätte ich nur Mittwoch und Donnerstag eine Lesung gehabt – ich bräuchte nur einen Text zum Thema 35. Jahre Mauerfall. Mein Gehirn hing noch im Traumland fest, somit war meine Antwort: „Ähm … äh … also … warte mal kurz“.
Ich musste erstmal angestrengt darüber nachdenken, ob ich überhaupt einen thematisch passenden Text habe. Und die Antwort war Nein. Mist!
„Okay, ich schreib heute noch einen“, hörte ich mich sagen und hatte keine Ahnung, was ich eigentlich schreiben soll.
Na ja, wird schon irgendwie werden, dachte ich.

Aufstehen, Kaffee machen, brainstormen. Da kam die Info, dass es zwei Vorrunden gibt, aber der zweite Text nicht unbedingt eng thematisch sein muss, es ginge auch was über Missverständnisse. Wäre eigentlich passend, da meine Slam-Texte sich um genau dieses Thema drehen, allerdings wollte ich das Publikum nach einem Mauerfall-Text nicht mit einem Text über Kommunikationsschwierigkeiten in der Partnerschaft beschallen. Es musste also ein zweiter Text her.
Na ja, wird schon irgendwie werden, dachte ich.

Nach dreizehn Stunden hatte ich es geschafft, zwei 6-Minuten-Texte zum Thema Mauerfall zu schreiben, meinen Rucksack zu packen und ganz oberflächlich den Haushalt zu erledigen, damit ich kein Chaos hinterlasse. Ich bin halt ein Monk.
Spät nachts lag ich dann auch im Bett und dachte, na ja, ist ja alles irgendwie geworden.

Dienstag – Bahnen halten sich nicht an Pläne

(Eine spannende Reise nimmt ihren Anfang)

Alles ist fertig, was kann schon schiefgehen, dachte ich und hörte die Meldung, dass bei uns Bahnchaos wegen Bauarbeiten an den Gleisen herrscht. Also hieß es improvisieren und mit dem Auto zahlreiche Stationen zurücklegen, bis ich an einem Bahnhof ankam, von dem auch eine Bahn fuhr. Ab in den Zug in Hamburg und zur Zwischenstation Berlin Hauptbahnhof.

Ich hatte in der Nacht wenig geschlafen und war todesmüde. Schlaf ich halt in der Bahn, war der Plan, allerdings war es eine Herausforderung, eine Position zu finden, in der ich mir nicht das Genick breche. Nach eineinhalb Stunden Schlaf in einer unergonomischen Position, erwachte ich mit Nackenschmerzen und einem eingeschlafenen Fuß. Zumindest war ich wacher als am Morgen.

Ankunft Berlin Hauptbahnhof. Ich hatte eine Stunde Aufenthalt und wollte draußen Luft schnappen. Kaum bin ich aus dem Ausgang raus, rasten auch schon fünf Polizeiwagen und drei Krankenwagen mit Blaulicht auf den Parkplatz. Einige Polizisten stürmten in den Bahnhof. Nach kurzer Zeit kamen die Polizisten wieder heraus, die Einsatzwagen verschwanden und hinterließen verunsicherte Reisende mit der Frage, ob es sich um einen Fehlalarm handelte. Ich weiß es bis heute nicht.

Um den Rest der Fahrt von Berlin nach Dresden nicht zu verschlafen, hatte ich mir einen Kaffee geholt, dessen Bestellung recht amüsant verlief.
Ich: Ich hätte gern einen Café Latte in mittelgroß.
Verkäuferin: In groß?
Ich: In mittelgroß.
Verkäuferin: Mit Kokos?
Ich: M.I.T.T.E.L!

Ich stieg dann mit meinem mittelgroßen Kaffee in den Zug nach Dresden, der während der Fahrt wegen Bauarbeiten immer wieder auf den Gleisen anhielt und schlussendlich dreißig Minuten Verspätung hatte. Meine Zeitspanne, um bei der Lesung rechtzeitig anzukommen, schrumpfte zunehmend. Am Hauptbahnhof Dresden musste ich erstmal die richtige Straßenbahnlinie finden, danach den richtigen Bus, dann im dunkeln das Auftrittsgebäude. Und dieser Rucksack hat mich fast umgebracht. Ich hab doch gar nicht so viel mitgenommen, warum ist der, verdammt nochmal so schwer? Und warum zur Hölle, habe ich mir keinen Rollkoffer gekauft, obwohl ich vor vier Wochen drüber nachgedacht habe?

Warum man als Autor:in ein Rückgrat nicht nur für einen Rucksack braucht

(Gleich geht es los!)

Zum Glück kam ich noch rechtzeitig in der SLUB an. Dann ging es auch schon auf die Bühne. Ich war super aufgeregt, weil meine Texte neu waren, unerprobt und in kürzester Zeit geschrieben, zu einem Thema, zu dem ich bis jetzt nicht viel Bezug hatte. Und wie das mit humorvollen Texten so ist, man möchte das Publikum zum Lachen bringen.
Das gelang mir nur mäßig – hin und wieder wurde ein Schmunzeln laut. Das sind diese Momente auf der Bühne, in denen man die Arschbacken zusammenkneifen, sich seine Unsicherheit nicht anmerken lassen und durchziehen muss.
Zwei Mal hintereinander.

Natürlich werden in solchen Momenten die Selbstzweifel laut. Hat der Text nicht gefallen? Bin ich nicht gut genug? Kann ich keine Texte zu Themenvorgaben schreiben?
Während einem all das durch den Kopf wirbelt, wie ein Zweifel-Hurrican, heißt es, Rücken durchstrecken, nichts anmerken lassen, sich nett mit den anderen unterhalten. Manchmal ist das ein Drahtseilakt.

Als mich dann an der Bushaltestelle ein sehr freundlicher, älterer Herr ansprach und sagte, dass ihm meine Texte richtig gut gefallen haben und wir ein bisschen darüber sprachen, waren meine Selbstzweifel so: „Häh?“

Es war mal wieder eine Erfahrung, die mich lehrte, dass man nicht immer an der Reaktion des Publikums ablesen kann, wie gut etwas gefallen hat und selbst, wenn es nicht allen gefallen haben sollte – wenn man eine Person erreicht hat, ist das ein unglaublicher Mehrwert. Ich bin sehr dankbar für dieses Gespräch nach dem Auftritt, das mich mit einem guten Gefühl in den weiteren Abend geschickt hat.

Die beste Pasta Deutschlands

Danach waren wir noch gemeinsam in dem ganz wunderbaren Restaurant MamaMia essen. Schon allein die Blumendekoration vor dem Eingang hat mich ganz verzückt. Das Personal war hinreißend freundlich, die Einrichtung gemütlich und das Essen, oh mein Gott, dieses Essen war der Wahnsinn!

Ich bestellte Spinat-Pasta mit einer Kürbiscremesoße und war im siebten Himmel. Wer in Dresden ist, dem möchte ich dieses wunderbare Restaurant ans Herz legen. Ich würde dort öfter essen gehen, wenn es bei mir in der Nähe wäre.

(Der Eingang überzeugte mich sofort)

Bei Kaddi angekommen, quatschten wir noch bis tief in die Nacht, womit es zu einer sehr kurzen Nacht wurde, da mich morgens um fünf die Müllabfuhr vor dem Fenster weckte. Das Leben in so einer Stadt beginnt dann kurz nach der Müllabfuhr und zwischen dem Geräusch von Autoreifen, die über Pflasterstein bretterten, mischten sich laute Stimmen von Menschen, die sich scheinbar über die Straße hinweg anbrüllten.

Ich startete also in den Mittwochmorgen mit dem Gedanken, na ja, wird schon irgendwie.

Mittwoch – Ein Tag voller Highlights

(Dresdner Weihnachtsmarkt)
(Dresdner Altstadt)

Nach einem Kaffee, der jedes übermüdete Herz tröstet, unternahmen wir einen schönen Spaziergang bei Sonnenschein in der Altstadt. Leider hatten die meisten Weihnachtsmärkte noch geschlossen, bis auf einen kleinen Mittelalter-Weihnachtsmarkt im Stallhof. Da wir auf dem Weg zu einem Interview waren, das Kaddi noch führen musste, konnte wir nicht verweilen, aber einen Hauch Weihnachts-Flair einatmen.

Nach dem Interview probierten wir ein Pasta-Restaurant neben dem MamaMia aus. Wir wären viel lieber wieder ins MamaMia selbst gegangen, da Kaddi aber eine Gastro-Kritik schreiben musste, sollte es ein Restaurant sein, über das sie noch nicht geschrieben hatte.

Was soll ich sagen? Nachdem ich am Dienstag im besten Pasta-Restaurant der Welt war, fand ich mich nun im schlechtesten Pasta-Restaurant der Welt wieder. Erstaunlich, dass die beiden Läden nur zehn Meter entfernt voneinander sind.

Mit einem Pasta-Stein im Magen ging es danach zur Groovestation. Vor dem Auftritt schmückten wir noch den Gartenzaun mit Blumen, denn der Poetry Slam heißt nicht umsonst „Geschichten übern Gartenzaun“. Als wir mit allem fertig waren und noch keine Gäste da waren, fiel uns auf, dass wir eine Stunde zu früh da waren. Hatten wir uns also völlig umsonst abgehetzt.

(Groovestation vor der großen Ansturm)
(Einer der tollsten Preise – Der Kaktus)

Der Auftritt in der Groovestation hat unglaublich viel Spaß gemacht. Die Bude war voll, das Publikum super drauf. Es war ein sehr humorvolles Line-up und die Leute haben durchweg gelacht und haben uns danach super Feedback gegeben. Das ist immer so ein schönes Gefühl, wenn man weiß, dass die Menschen einen tollen Abend hatten und beseelt nach Hause gehen.

So gingen auch wir beseelt nach Hause, quatschten noch lange und ich kam wieder nicht zu meinem benötigten Schlaf, weil am nächsten Tag zwar nicht die Müllabfuhr den Morgen einläutete, dafür aber ein Möbelunternehmen, das direkt vor dem Fenster ein- und auslud. Spätestens hier begann ich mein ruhiges Dorfleben zu vermissen.

Donnerstag – Schlafen wird überbewertet

Mittlerweile beginnen die Tage mit zwei Bechern Kaffee, um die Müdigkeit aus dem Körper zu spülen. Kaddi und ich saßen in ihrer Küche und arbeiteten an unseren Laptops. Ich begann diesen Blog-Artikel zu schreiben. Am Nachmittag ging es dann auch schon weiter nach Kamenz in die Stadtbibliothek, zum letzten Auftritt bei dieser kleinen Tour, was mich ein bisschen wehmütig stimmte, denn Kaddi hatte eine ganz tolle Mischung aus Bühnenpoeten zusammengestellt.

(Regen empfing und in Kamenz)

Vor vielen Jahren bin ich schon einmal in Kamenz aufgetreten. Mittlerweile hat der Veranstaltungsort gewechselt. Wir haben in einer Bibliothek gelesen und das Publikum hat die Texte krass abgefeiert. Ich dachte schon die Stimmung am Vorabend war mega, aber Kamenz hat noch eine Schippe draufgelegt. Was vielleicht auch daran lag, das der Abend einige Überraschungen parat hielt. Einer der Poeten hat nach meinem Yoga-Text eine Entspannungsübung mit „Om“ durchgeführt, wofür das Publikum aufgestanden ist und mitomte. Kaddi hat die Moderation ihres Leben hingelegt. Ihre Moderationen sind immer unterhaltsam, aber in diesem Fall hatte sie sich selbst übertroffen.

Die goldene Kamenzer Wurst habe ich an diesem Abend leider nicht gewonnen, aber die Leute sind mit strahlenden und begeisterten Gesichtern nach Hause gegangen. Es fühlte sich so an, als hätte man einen Abend mit Freunden verbracht – sehr vielen Freunden – und so fuhren wir ganz euphorisch mit dem Zug zurück nach Dresden, wo wir noch ein sehr interessantes und nettes Gespräch mit einem Schaffner führten und viel über seinen Job erfuhren.

(Hier ging es um die goldene Wurst)

Auch wenn wir uns vorgenommen hatten, an diesem Abend früher ins Bett zu gehen, so klappte das einfach nicht. Wir sind zusammen noch etwas essen gegangen und dann mussten wir unserer neuen Gewohnheit frönen – Tagesabschlussgespräch auf dem Sofa. Denn man möchte es kaum glauben, aber am nächsten Morgen um sieben Uhr schmiss jemand seine Kettensäge an, um wild rumzusägen. Ich meine, why?

Freitag – Huch, Sitzplatzreservierung vergessen

Ich konnte gar nicht so viel Kaffee trinken, wie ich gebraucht hätte, um auch nur irgendwie in diesen Tag zu starten. Es war eine Qual, mich aus dem Bett zu schälen, in dem Wissen, dass knapp sieben Stunden Bahnfahren bzw. Reisezeit vor mir lag. Und ich hatte immer noch kein Nackenhörnchen. Viel schlimmer war allerdings, als ich entdeckte, dass ich für alle Verbindungen Sitzplätze reserviert hatte, nur für eine nicht – Berlin Hbf nach Hamburg-Altona. Die App sagte: „Es wird eine sehr hohe Auslastung erwartet. Wir empfehlen Ihnen, einen Sitzplatz zu reservieren.“
Ich dachte, na ja, wird schon irgendwie werden.

Einen Sitzplatz ergatterte ich tatsächlich. Zum Glück, denn die Bahn hatte Verspätung und ich wollte nicht stundenlang neben einer Zugstür stehen. Die Heimreise dauerte mit Verspätungen und Zugausfällen ganze 8 1/2 Stunden. Ich war des Todes, als ich zu Hause ankam. Glücklich, aber des Todes!

Home Sweet Home

Hach, nicht’s geht über das ruhige Dorfleben. Es braucht nur einen Kaffee am Morgen, weil niemand um fünf Uhr morgens vor meinem Schlafzimmerfenster die Axt im Walde spielt. Und dennoch vermisse ich Dresden ein bisschen. Es war eine wundervolle, spannende und lustige Woche.
Und am Ende ist es dann ja doch alles irgendwie geworden.

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Sabrina Schauer

Autorin

Herzlichen Willkommen auf meiner Autoren Website. Mein Name ist Sabrina und ich liebe es zu schreiben und zu lesen. Ganz nach dem Motto „Mit Worten durch Welten“.
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