American Psycho von Bret Easton Ellis

Buchcover American Psycho von Bret Easton Ellis mit Blutspritzern, Deko und dem Wort Buchvorstellung

Vor rund 15 Jahren habe ich American Psycho zum ersten Mal aufgeschlagen und nach 30 Seiten wieder zugeklappt. Da flogen mir mehr Markennamen um die Ohren als bei einem Einkaufsbummel in der Hamburger Innenstadt an einem Samstag. Als großer Christian-Bale-Fan habe ich natürlich den Film gesehen und mir damit den Großteil der Markennamen erspart. Aber ich mag Serienmörder in der Literatur und betrachte sie gern im gesellschaftlichen Kontext ihrer Zeit. Da kommt man an Patrick Bateman nun mal nicht vorbei. Also habe ich mich noch mal an diesen Roman gewagt und ich kann sagen: Vom Markennamen-Dropping bin ich immer noch kein Fan, aber diesmal verstehe ich, warum es genau so sein muss.

Und Achtung Spoiler! Auch wenn das Buch von 1991 ist, könnte es ja sein, dass es jemand noch nicht gelesen hat.

Darum geht’s – Klappentext

Hier könnte Ihr Klappentext stehen! Leider habe ich keine alte Ausgabe gefunden, die noch einen enthält. Stattdessen prangt auf der aktuellen Taschenbuchversion:

  • dass dieser Roman kontroverse Diskussionen ausgelöst hat,
  • in Deutschland auf dem Index für jugendgefährdende Schriften gelandet ist,
  • und später rehabilitiert wurde.

Ach ja – und ein Zitat von jemandem.

Der erste Satz

Der erste Satz von American Psycho ist eine Tour de Force durch Statussymbole, fehlende Moral und urbanen Wahnsinn. Alles verpackt in einem einzigen, atemlosen Absatz. Dass Ellis mit einem Zitat aus Dantes Inferno beginnt und mit einem Radio-Hit endet, sagt bereits alles über den Ton des Romans. Wir sind im Herzen der Hölle angekommen, im Designeranzug mit Popmusik-Berieselung.

Der moralische Verfall der Gesellschaft

In American Psycho geht es nicht um die Frage: Warum tötet Patrick Bateman? Es geht darum, warum es niemandem auffällt oder interessiert.

Der Roman zeigt eine Welt, in der alles käuflich, ersetzbar und bedeutungslos ist. Nicht mal ein Menschenleben zählt noch was. Bateman ist das Produkt einer Gesellschaft, in der Status, Ästhetik und Selbstinzenierung wichtiger sind als Empathie und Moral. Es geht nicht um Schuld und Sühne, sondern um Hautpflege, Reservierungen im Dorsia und Visitenkarten mit Prägung. Und das Buch erschien 1991! Mir kommt es vor, als sei die Thematik aktueller denn je.

Die wahre Gewalt in diesem Buch geht nicht von Bateman aus, sondern von allen anderen, die nicht hinschauen, nicht zuhören, nichts hinterfragen und im Grunde mitmachen. Ellis macht das schmerzhaft deutlich, in dem er nicht erklärt, sondern uns auf über 500 Seiten in Batemans Welt einsperrt. Die große Langeweile aus Markennamen, Restaurant-Reservierungen und Namensverwechslungen auf den ersten 200 Seiten bringen einen irgendwann dazu, sich nach einem großen Knall zu sehen. Oder etwas besseres zu tun, zum Beispiel, die Videofilme zurückzubringen. Haha!

American Psycho ist kein Buch, das Antworten gibt. Es hält dem Lesenden einen Spiegel vor. Damit muss man auch erstmal klarkommen. Die wahre Provokation liegt in dem Gefühl, dass Batemans Taten in dieser Welt nichts besonderes sind. Und das macht das Buch unangenehm aktuell. Eine Gesellschaft, die Menschen zu Marken, Moral zu Image und Gewalt zur Nebensache macht, lässt Batemans Handlungen nicht wahnsinnig erscheinen, sondern als logische Konsequenz.

Er sagt es. Immer wieder. Doch niemand hört zu.

Patrick Bateman ist kein klassischer Serienmörder mit Kindheitstrauma. Wenn es eines gibt, erfahren wir nichts davon. Er ist die Antwort auf eine kranke Welt. Er will dazugehören, perfekt sein, repektiert werden – aber er fühlt nichts. Jedenfalls ist das, was er fühlt, nie greifbar, nie stabil. Wut, Lust, Ekel und Angst kommen in kurzen Wellen, die sofort wieder abebben in dieser oberflächlichen Welt. Und da ist viel Wut und Lust. Bateman tötet aber nicht aus Lust oder aus Gier, sondern weil es keinen Unterschied macht. Und das wirklich Beunruhigende ist, dass er immer wieder davon spricht und niemand zuhört.

Klinisch, monoton und kontrolliert

Ellis schreibt so, wie Bateman denkt: klinisch, monoton und kontrolliert. Die Sätze sind oft lang, beschreibend und überladen mit Marken und Namen. Sie wirken wie eine innere Checkliste, nicht emotional, sondern katalogisiert. Was zunächst langweilig wirkt, ist genau der Punkt: Das Buch ist langweilig, weil Bateman langweilig ist.
Selbst wenn die Gewalt kommt, ändert sich der Ton nicht. Keine Dramatik. Keine Rechtfertigungen. Keine Emotionen. Er berichtet von einem Mord genauso wie er von seiner Hautpflegeroutine erzählt. Und sehr beängstigend ist, dass er nach einem Mord einfach mal so droppt: „Heute war ein langweiliger Tag. Es ist nichts passiert.“ (frei nach Bateman)

Das Buch ist die Hölle

Der erste Satz zitiert Dante. Der letzte Satz „Kein Ausgang“ streicht die Hoffnung auf Erlösung. Dazwischen liegt Batemans Welt, eine Hölle aus Designeranzügen und innerer Leere. Kein Feuer, keine Dämonen, nur das ständige Kreisen um Status, Konsum, Macht und Bedeutungslosigkeit.

Bateman ist nicht der Teufel. Er ist nur einer, der gelernt hat, sich in der Hölle einzurichten. Nur, dass ihm irgendwann auffällt, dass er nicht mehr rauskommt.

Weder für ihn. Noch für uns.

Fazit

American Psycho ist keine Unterhaltungslektüre für Zwischendurch. Ellis zwingt uns, durch die Hölle zu gehen. Eine Welt, in der nichts Bedeutung hat. Am Ende steht man ein bisschen abgestumpfter und vielleicht auch ein bisschen wacher da.
Ich habe nach knapp 300 Seiten die Gewaltszenen tatsächlich nur noch überflogen, weil ich nicht noch mehr Bilder davon in meinem Kopf haben wollte, und diese Szenen den Plot schlussendlich auch nicht weitergebracht haben.

Wer psychologische Tiefe, klare Antworten oder einen klassischen Spannungsbogen sucht, wird hier enttäuscht werden.
Wer aber bereit ist, in die gesellschaftliche Hölle hinabzusteigen, wird etwas erleben, dass man nie wieder vergisst.

Kein Ausgang. Kein Trost. Aber ein literarisches Meisterstück.

Wenn du Lust bekommen hast, das Buch zu lesen, dann schau gern hier vorbei:

American Psycho – Bret Easton Ellis

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Sabrina Schauer

Autorin

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